Sonntag, 12. Februar 2006

Kater


Das Haar ist struppig, trüb der Blick;
ein Mensch blickt auf die Nacht zurück.
Erinnert sich an den Moment,
da er noch die Freunde kennt,
die ringsherum die Gläser heben
und wünschen, er soll lange leben.
Dann sinkt der Schleier, schillernd bunt,
das Glas findet nur schwer den Mund.
Und dennoch rinnt der rote Wein
weiter in den Schlund hinein.
Wie hat es denn bloß kommen können,
dass ihm so die Augen brennen
und der Kopf zu platzen droht?
Ach, der Wein, so süffig rot,
der »trocken« heißt und dennoch fließt,
wenn man ihn zwischen Lippen gießt;
der dann die Kehle kurz befeuchtet,
bevor er Darm und Hirn erleuchtet.
Genießt man mäßig und mit Stil,
vermeidet man das Missgefühl,
das folgt auf zügelloses Prassen:
Man beginnt den Tag zu hassen,
den Kopf, die Schläfen und den Magen.
Sollte man die Freunde fragen,
wie man heil nach Hause kam?
Oder siegt hierbei die Scham?
So bleibt man denn im Bette liegen
und hofft, der Körper möge siegen
im Kampf gegen den Alkohol –
bis nächstes Mal. Auf aller Wohl!

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© Julius Moll

Donnerstag, 2. Februar 2006

Wohnen und Arbeiten


Ist eigentlich schon mal jemandem aufgefallen, dass ein Nebeneffekt der vielen Single-Haushalte und der vielen kinderlosen, arbeitenden Paare darin besteht, dass tagsüber die Wohnungen leer stehen und nachts die Büros? Welcher Gedanke muss einem dabei sofort kommen? Genau: Man verlegt die Büros einfach in fremde Wohnungen. Morgens geht man wie gewohnt zur Arbeit, doch die findet man nicht im Büro, sondern in einer Wohnung, die nachts von jemandem bewohnt wird, der tagsüber ebenfalls in einer fremden Wohnung arbeitet.
Irgendwann, wenn sich alle an dieses neue Situation gewöhnt haben, kann man das Modell dann verfeinern: Jeder bleibt einfach zu Hause und arbeitet dort. Das entlastet die Umwelt und führt zu weniger Streit auf der Straße und in Nahverkehrsmitteln. Vielleicht sollte man generell mal überlegen, ob es nicht besser wäre, die Menschen blieben mal eine Zeitlang einfach zu Hause, z.B. Amerikaner, Palästinenser, Nordiren, Kongolesen, Tschetschenen, Russen, Afghanen, Iraker, Basken – und umgekehrt (nur um einige zu nennen). Vielen Deutschen täte das auch gut, vor allem während der Urlaubszeit.

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© Julius Moll