Samstag, 30. September 2006

Vorher oder nachher?



Wann haben Sie zum letzten Mal irgendwelche Sachen kaputt gemacht? Sachen anderer Leute, meine ich. Erinnern Sie sich an das prickelnde, zentrierte Gefühl, mit dem Sie lässig kommentieren konnten: "Das ist kein Problem. Ich bin versichert."? Herrlich, nicht wahr? In diesen Momenten festigt sich die Gewissheit, dass man die Versicherungsbeiträge aus gutem Grund bezahlt hat, obwohl zeitweilig die Zweifel genagt hatten. So viel Geld jeden Monat, und dann passiert dauernd nichts. Aber plötzlich ist er da: der Moment der Wahrheit. Und alle Zweifel sind wie weggeblasen.
Diese Erfahrung macht natürlich nur, wer die Beiträge vorher investiert. Zweifellos wäre das Leben viel einfacher, wenn man Versicherungsbeiträge nachträglich entrichten könnte, aber unter uns: Das klingt schon im Ansatz absurd.
Nun hat der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, seines Zeichens Haushaltsexperte der SPD, dem Berliner Tagesspiegel gegenüber eingeräumt, dass zwei Rüstungsfirmen seinen Hamburger Kreisverband SPD-Mitte im Bundestagswahlkampf 2005 mit Geldspenden unterstützt haben. Die Beträge hätten unter der Grenze zur Veröffentlichungspficht gelegen, sagte Kahrs.
Warum er sich dazu äußert? Nun ja, Johannes K. ist Berichterstatter der SPD-Fraktion im Haushaltsausschuss des Bundestages und hat somit Einfluss auf die Neuanschaffungen der Bundeswehr. Dass dazu Rüstungsartikel zählen, sollte uns nicht überraschen. Und dass man daher irritierende Zusammenhänge konstruieren könnte, die für Herrn K. nicht gerade vorteilhaft wirken, ist ihm selbst wohl auch aufgegangen. Deshalb hat er sich bemüht, solchen Anwürfen mit der Bemerkung vorauszueilen, er habe die Spenden erhalten, bevor er für den Verteidigungsetat zuständig war.
Mal abgesehen von der Tatsache, dass bei dieser Erklärung nicht mehr vom SPD-Kreisverband die Rede ist, sondern nur noch von "ihm": Kommt Ihnen das nicht merkwürdig vor? Ich schlage vor, Sie schließen mal kurz die Augen und stellen sich vor, Sie stünden gerade vor Ihrem Badezimmerspiegel und sähen sich ins Gesicht. Finden Sie wirklich, dass Sie so dämlich aussehen, wie Herr Kahrs Sie offenbar einschätzt?
Natürlich hat er die Spenden vorher erhalten; hinterher hätten die Rüstungsfirmen ja nichts mehr davon gehabt. Das ist das Versicherungsprinzip, von dem oben die Rede war. Damit wir uns richtig verstehen: Es spricht gar nichts dagegen, dass jemand die Interessen seiner Geldgeber vertritt, solange alle wissen, dass es diese Geldgeber gibt. Das ist also nicht der Grund, warum ich finde, Herr Kahrs sollte sein Mandat zurückgeben. Der Grund ist, dass er seine Wähler für dumm verkaufen will. Ich würde das nicht auf mir sitzen lassen – ich finde nämlich, dass ich morgens im Spiegel immer ausgesprochen intelligent aussehe.

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©Julius Moll

Sonntag, 11. Juni 2006

3 Sekunden


Prinz William geruhte anzureisen. "Ihm hat sich Ministerpräsident Koch angenommen", erläuterte WM-Reporter Ralf Scholt. Da hat sich der Genitiv auf der Ersatzbank gegrämt wie Michael Ballack, denn eigentlich wäre er fit gewesen für seinen Einsatz. Aber wer nicht mitspielt, kann auch kein Eigentor schießen wie Franz Müntefering, der die Kundgebung gegen die Nazi-Demo mit den Worten begründete: "Keine Toleranz gegenüber Intoleranz!" Dabei hat Münte mit Reden ähnlich viel Erfahrung wie ein argentinischer Nationalspieler, über den Reinhold Beckmann zu vermelden wusste: "… sein einhundertundeinstes Länderspiel …" Wenn er sich danach wenigstens verbessert hätte!
So geht also langsam und nahezu unbemerkt die Sprachkultur in die Binsen.
Dabei haben Sprache und Fußball mehr gemein als man glaubt. Stellen wir uns doch mal folgende Frage: "Warum spielen in jeder Mannschaft elf Menschen; nicht zehn, nicht zwölf, nein: elf?" Dazu gibt neuerdings die Forschung eine klare und höchst interessante Auskunft. Wissenschaftler haben gemessen, wie lange es dauert, bis der ballführende Spieler vom nächstplatzierten Gegenspieler erreicht werden kann (Sprint vorausgesetzt!). Die Antwort: ungefähr drei Sekunden. Und wie lange braucht ein Spieler, um einen Ball anzunehmen, einen frei stehenden Mannschaftskameraden zu identifizieren und den Ball abzuspielen? Ebenfalls etwa drei Sekunden. Unterschreitet man diese Zeit, kommt auf die Dauer kein attraktives Spiel zu Stande. Dauert es zu lange, den ballführenden Spieler zu erreichen, ist keine vernünftige Verteidigung möglich; Das Spiel wird körperlos und langweilig.
Was hat das mit Sprache zu tun? Nun, es gibt eine Faustregel, wie man Sätze tunlichst formulieren und schreiben sollte. Diese Regel geht von der psychologischen Erkenntnis aus, dass das Gehirn etwa alle drei Sekunden (!) die Umgebung abfragt; nach dem Motto: Gibt es irgendwo etwas Neues? Das kann man selber testen, wenn man jemandem zur Begrüßung die Hand reicht. Hält man sie weniger als drei Sekunden fest, wirkt es unhöflich, hält man sie länger, wirkt es aufdringlich. In drei Sekunden lassen sich ungefähr sechs Wörter lesen; im Durchschnitt sind das 12 Silben. Einschübe zwischen Subjekt und Verb oder eingeschobene Nebensätze sollten daher möglichst nicht länger sein. Sonst muss der Leser den Anfang noch einmal lesen, ob er will oder nicht. Das Gegenwartsfenster schließt sich nach drei Sekunden, ob man das mag oder nicht.
So also auch beim Fußball: Ist innerhalb von drei Sekunden keine essentielle Spielbeeinflussung möglich, wird's langweilig. Und um das zu erreichen, braucht man auf einem normalen Spielfeld zehn Feldspieler pro Mannschaft.
Im Umkehrschluss bedeutet das: Wer nur übers Feld trabt, wenn der Gegner den Ball besitzt, oder wer zu lange braucht, um einen Ball anzunehmen und weiter zu leiten, senkt die Attraktivität des Spiels. Das sollten zumindest all die wissen, die damit ihr Geld verdienen. Dazu gehören auch die Reporter und Kommentatoren.
Vielleicht produzieren sie aber all ihre Schachtel- und Unsinnssätze ja absichtlich. Vielleicht ist es ja so, dass der Verkauf von Digitalrekordern deshalb boomt, weil die Zuschauer zwischendurch gerne mal die Live-Übertragung anhalten und kurz zurückspulen, um herauszufinden, was Beckmannkernerlierhausdelling da gerade gesagt hat. Der Claim für den nächsten kernerschen Werbespot wird also vermutlich lauten: "LG – damit Sie wissen, was ich meinte."

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© Julius Moll

Sonntag, 21. Mai 2006

Grund zur Freude?


Radio Berg. Die Moderatorin spielt "Sorry" und erzählt anschließend, dass Oma Madonna zwei Mal in Deutschland auftreten werde. Dann zitiert sie die Künstlerin mit den Worten: "Ich werde die ganze Welt in eine Tanzfläche verwandeln." Bevor ich mir über die Tragweite dieser Ankündigung Gedanken machen kann, legt die Moderatorin nach: "Da freuen wir uns drauf."
Wo ich mich drauf freue – nein: Worauf ich mich freue, sind Moderatoren, die mit korrektem Deutsch als Vorbild für die Pisa-gebeutelte Boah-ey-Jugend dienen könnten. Wirklich, darauf freuen wir uns.
Im Fernsehen läuft gerade die "Neu für Alt Aktion" von Braun: Alter Rasierapparat gegen neuen. Beim Anblick des Werbespots merke ich: Auf Werbetexter, die korrektes Deutsch verwenden, freuen wir uns auch. Nicht nur im Rahmen der Neu-für-Alt-Aktion, sondern auch bei Frühlingsgemüseeintöpfen, die zurzeit mit "Frühlings Gemüse Eintopf" beschriftet sind.
Um diese Kleinigkeiten von professionellen Schreibern einzufordern, muss man nicht unbedingt Prallsack statt Airbag sagen wollen oder übernehmen statt downloaden. Da hab ich kein Problem mit.

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© Julius Moll

Dienstag, 16. Mai 2006

www.ichkennkeinodonkor.de


Nein, man muss nicht alles wissen und kennen. Zurzeit ist man vermutlich sogar gebenedeit, wenn man sich für ein bestimmtes Thema nicht interessiert: für Fußball. Wenn selbst auf dem Blumenmaimarkt kleine Flutlichtbälle zwischen den Frühlingsblumen hängen und in jedem Verkaufsstand der Slogan zu lesen ist: "Mit Blumen die Nummer 1" – dann ist die Zeit des kollektiven Wahnsinns nicht mehr allzu weit.
Apropos Wahnsinn: Der Bundestrainer benennt 23 Bedauernswerte, die für 80 Millionen Fachleute die Kohlen aus dem Feuer bzw. die Punkte aus dem Stadion holen müssen. Na ja, müssen ist vielleicht übertrieben; wenn man 357 Millionen Euro pro Stunde verdient, kann von müssen keine Rede mehr sein. Aber da geht es irgendwo um die Ehre – wenn man nicht berufen wird, ist man zwar auch reich, aber man spielt einfach zu beschissen. Und ein Trikot von Ronaldinho wird man auch nicht kriegen.
Nun werden sich einige gefragt haben, warum der Bundestrainer David Odonkor berufen hat bzw. was genau ein Odonkor eigentlich ist. Nach den mir vorliegenden Erkenntnissen ist es ein wieselflinkes Wesen, dass auch ohne Ball schneller ist als die gegnerische Verteidigung und in nahezu allen Spielsituationen die Torauslinie eher erreicht als Gegenspieler und Ball. Aber das allein kann nicht der Grund für die Berufung gewesen sein. Vermutlich hat der Bundestrainer gedacht: Wenn ich den Odonkor kaum kenne, dann werden ihn die anderen Trainer erst recht nicht kennen. Und bei einem solch knallharten Turnier kann ein Promille Unsicherheit schon der Untergang sein. Warum diesen Vorteil nicht nutzen? Und dann gleich doppelt – während der Gegner noch verzweifelt versucht herauszufinden, in welcher Hitparade Mike Hanke zurzeit platziert ist, schickt das deutsche Team Odonkor für Hitzlsperger aufs Feld.
Man muss sich die Spiele übrigens nicht ansehen. Es gibt einen Aus-Knopf am Fernseher, und andere Programme – zumal aus anderen Ländern – werden ebenfalls fußballlose Programmteile senden. Daneben ist auch der Griff zum Bücherregal trotz anderslautender Gerüchte gesellschaftlich noch nicht verpönt. Wenn es kein Roman oder Lyrikband sein soll, dann vielleicht ein Nachschlagewerk. M, N, O, Od, Odo … Ach, nein, lassen wir das!

P.S.: Hiermit drohe ich übrigens jeder und jedem drakonische juristische Rachefeldzüge an, die oder der die URL www.ichkennkeinodonkor.de nach dem heutigen Tage online stellt. Wenn doch, verlange ich zudem 60% aller damit verbundenen Einnahmen.

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© Julius Moll

Samstag, 6. Mai 2006

1.500.000.000.000


Anderthalb Billionen ist eine Menge, deren umfassende Würdigung sich unseren beschränkten Sinnen entzieht. Wir können sie nur annähernd verstehen, indem wir Hilfskonstrukte zu Rate ziehen – wie etwa dieses: Stellen wir uns vor, wir flögen mit einem Raumschiff durch die kosmische Leere und plötzlich tauchen vor uns 750 Planeten auf. All diese Planeten sehen so aus wie unsere Erde.
Auf jeder Erde leben 6,5 Milliarden Menschen. Wir wissen alle, dass allein diese Zahl unsere Vorstellungskraft überfordert. Nehmen wir einmal an, drei hintereinander stehende Menschen benötigen rund einen Meter Platz. Dann ergeben sechseinhalb Milliarden Menschen eng hintereinandergestellt eine Schlange von rund 2 Milliarden Metern – das sind 2 Millionen Kilometer. Von der Erde bis zum Mond sind es rund 380.000 Kilometer. Mit anderen Worten: Alle Menschen der Erde ergeben eine Schlange, die mehr als fünfmal so lang ist wie die Entfernung Erde-Mond.
Nun liegt im All vor uns nicht nur eine Erde, sondern gleich siebenhundertundfünfzig! Alle Bewohner zusammen bilden nun eine Schlange von 1500 Millionen Kilometern – 1.500.000.000! Das ist über den Daumen gepeilt viermal die Strecke von der Erde zur Sonne. Und vor allem: Es sind 1,5 Billionen Meter.
Wie waren wir darauf eigentlich gekommen? Ach ja – die Staatsschulden: Anderthalb Billionen Euro und steigend. Wenn man einen Moment darüber nachdenkt, kann ein kurzes Schwindelgefühl aufkommen. Aber ist die Lage wirklich so ernst und unlösbar?
Nein, nicht unbedingt. Dazu vergleichen wir erneut einige Zahlen, und dieses Mal geht es viel schneller: Anderthalb Billionen Euro geteilt durch die Anzahl der Bundesbürger ergibt rund 18.200 Euro pro Kopf. Das hört sich nicht mehr ganz so schlimm an und entspricht ungefähr dem Neupreis eines Mittelklasseautos. Nun stellt sich die Frage: Was tun? Die Zinsen, die wir alle für diese Schulden zahlen, sind enorm (bei 4% sind es 60 Milliarden pro Jahr). Aber sind diese Zahlungen nötig?
Was wäre denn, wenn jeder von uns, sagen wir mal, 45.000 Euro an Geldvermögen hätte? Würden Sie dann lieber die Zinsen bedienen (vom Schulden tilgen reden wir gar nicht!) oder vielleicht aus Ihrem Vermögen die Schulden komplett begleichen und sich somit die Zinsen sparen?
Meine Lösung kenne ich: Ich zahle ungern Zinsen. Nun werden Sie denken: Schön und gut, was er da schreibt, aber ich habe keine 45.000 Euro. Nun, das mag sein, aber eine Studie des Bankenverbandes hat beispielsweise für das Jahr 2002 ergeben, dass das durchschnittliche Geldvermögen in Deutschland bei eben diesen 45.000 Euro lag. Kommt Ihnen da eine Idee? Mir auch.
Nun kann man natürlich kurz darüber nachdenken, dass 18.200 Euro eine schöne Stange Geld ist und dass man die lieber behalten würde, als sie ins Staatssäckel zu zahlen. Das stimmt nur auf den ersten Blick. Denn wenn man dies tut, braucht der Staat die Zinsen nicht mehr zu bedienen und kann die Steuern beträchtlich senken. Da sind die 18.200 Euro schneller wieder auf den Konten, als man "Staatsverschuldung" sagen kann.

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© Julius Moll

Montag, 13. März 2006

Mediterrane Hochkultur


Es gibt sie also noch: Edle Kultur bei der Benamung von Gaststätten. Ich möchte übrigens darauf hinweisen, dass fünf Meter hinter dieser Mauer das Meer beginnt. Aus Gründen der Abgeschiedenheit und Kontemplation soll hier darauf verzichtet werden, detaillierte Ortsangaben niederzulegen. Ich bitte um Vergebung!

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© Julius Moll

Montag, 6. März 2006

Drogen am Arbeitsplatz


Zu diesem Thema hier ein Ausschnitt aus einer Filmrezension im Kölner Stadt-Anzeiger:
„Regisseur und Autor folgen schon der heutigen Präferenz für detailliert auserzählte Geschichten, im Gegensatz zum eher episodisch-elliptisch gehaltenen Erzählstil des Kinos der porträtierten, affirmativ umworbenen Zeit – was wiederum jenes Moment der Geschichte spiegelt, in der sich am Ende die Wissenden in eine Illusion zurückziehen. Die angenehm transparente, dabei klar so storygebundene wie auf die Darstellerarbeit fokussierte Inszenierung transportiert dieses Moment kongenial: so dass am Ende … ein Film über Nostalgie als heute letztes Refugium einer liberalen politischen Widerständlichkeit steht.“

Was sagt man dazu? Cannabis? Mescalin? Die größten Gehirnschäden hinterlässt ja eine Pattex-Inhalationstüte. So was in der Art wird’s wohl gewesen sein in der Kulturredaktion.

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© Julius Moll

Gynäkologen und Schnurrhaare


Gestern Nacht – ich war gerade aus dem Brauhaus zurückgekehrt und schüttete mir eine Flasche Wasser rein, weil ich nach dem Biertrinken immer so einen teuflischen Durst habe – zappe ich noch nebenbei durchs Fernsehprogramm und lande bei Onyx. Da wand sich eine bemüht laszive Blondine mit etwas zu großem Kopf und rot geschminkten Lippen. Offenbar wollte sie sexy aussehen, aber sie machte mir eher den Eindruck einer Zwölfjährigen, die sich zum ersten Mal Mamas Lippenstift geklaut hatte. Der Macher des Videoclips – vermutlich ein David-Hamilton-Eleve – ließ noch weitere Amateurerotiker durchs leicht milchige Ambiente schweben. Eine bulimiegefährdete Dunkelhäutige versuchte, sich von einer Netzbekleidung zu befreien, allerdings vergeblich. Dann war die Blonde wieder im Bild, die ihren Mund zum Playback bewegte. Sie sah aus wie eine Bauerstochter aus der norddeutschen Tiefebene. Und dann kam die Einblendung des Clips: "Sarah Connor – French Kissing". Bingo! Norddeutschland war richtig. Ich habe kurz darauf weggezappt, denn meine Stimmung änderte sich langsam von neutral auf mitleidig. Und das muss ja bei diesem Thema nicht sein. Von French Kissing war übrigens weit und breit nichts zu sehen.
Heute Morgen erwachte ich in der vagen Hoffnung, die Welt hätte sich in meiner Abwesenheit zum Guten gewendet. Dann schlage ich den Kölner Stadt-Anzeiger auf, vorletzte Seite, und welche Schlagzeile springt mich an?

"Gynäkologe angeklagt.
Ohne Fachkompetenz als Schönheitschirurg tätig."


So herum geht es also auch. Der Mann war aufgeflogen, weil er bei einer Dame mit zwei unterschiedlich großen Brüsten eine halbseitige Vergrößerung versucht hatte, mit dem Ergebnis, dass die operierte Brust hinterher die größere war. Nicht genug damit, nein, er hat sich einige Monate später an eine Korrektur des Fehlers gewagt (vermutlich mit Einwilligung der Patientin – wie blöd sind die eigentlich?). Resultat: Vice versa. Außerdem hatte sich durch den Eingriff die Lage der Brustwarzen verändert, und ich will gar nicht wissen, wohin. Laut Staatsanwaltschaft haben andere Frauen Narben, Hautdellen, Verbrennungen (?) und Wundinfektionen erlitten. Weiteres ist nicht bekannt. Ich nehme an, der Mann arbeitet jetzt wieder auf seinem eigentlichen Spezialgebiet.
Immerhin wurde es zwei Spalten (Zeitungsspalten) weiter rechts doch noch interessant. "Ratten elektronisch gelenkt" hieß es da. US-Wissenschaftler (wer sonst? Obwohl: der Leiter der Arbeitsgruppe hieß Sanjiv Talwar!) hatten Ratten Elektroden in die Gehirnregion implantiert, die normalerweise die Reize von den Tasthaaren (Vibrissae - ich kann Latein!) verarbeitet. Wenn die Tiere richtig reagierten, kriegten sie einen Stromstoß zur Belohnung, und zwar ins gleichnamige Gehirnzentrum. Die Tiere könnten möglicherweise künftig für Rettungsaufgaben oder bei der Räumung von Landminen (!?) eingesetzt werden, hieß es.
Das hat mich inspiriert. Was bei Ratten möglich ist, muss doch bei Politikern auch funktionieren. Auch beim Skifahren fände ich das recht hilfreich. Immer wenn sich vor dem Schlepplift eine Schlange gebildet hat, drücke ich kurz auf den Knopf, und schon fahren alle in irgendeine Richtung davon.
Apropos irgendeine Richtung: auf der letzten Seite fand ich die Meldung, dass einem Mann während des Fluges von Indianapolis nach Los Angeles die Frau abhanden gekommen ist. Sie litt angeblich an Alzheimer und war beim Einchecken offenbar am falschen Schalter gelandet. Das war vor fünf Monaten. Bisher hat man sie nicht gefunden.
Unendliche Weiten.

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© Julius Moll

Sonntag, 12. Februar 2006

Kater


Das Haar ist struppig, trüb der Blick;
ein Mensch blickt auf die Nacht zurück.
Erinnert sich an den Moment,
da er noch die Freunde kennt,
die ringsherum die Gläser heben
und wünschen, er soll lange leben.
Dann sinkt der Schleier, schillernd bunt,
das Glas findet nur schwer den Mund.
Und dennoch rinnt der rote Wein
weiter in den Schlund hinein.
Wie hat es denn bloß kommen können,
dass ihm so die Augen brennen
und der Kopf zu platzen droht?
Ach, der Wein, so süffig rot,
der »trocken« heißt und dennoch fließt,
wenn man ihn zwischen Lippen gießt;
der dann die Kehle kurz befeuchtet,
bevor er Darm und Hirn erleuchtet.
Genießt man mäßig und mit Stil,
vermeidet man das Missgefühl,
das folgt auf zügelloses Prassen:
Man beginnt den Tag zu hassen,
den Kopf, die Schläfen und den Magen.
Sollte man die Freunde fragen,
wie man heil nach Hause kam?
Oder siegt hierbei die Scham?
So bleibt man denn im Bette liegen
und hofft, der Körper möge siegen
im Kampf gegen den Alkohol –
bis nächstes Mal. Auf aller Wohl!

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© Julius Moll

Donnerstag, 2. Februar 2006

Wohnen und Arbeiten


Ist eigentlich schon mal jemandem aufgefallen, dass ein Nebeneffekt der vielen Single-Haushalte und der vielen kinderlosen, arbeitenden Paare darin besteht, dass tagsüber die Wohnungen leer stehen und nachts die Büros? Welcher Gedanke muss einem dabei sofort kommen? Genau: Man verlegt die Büros einfach in fremde Wohnungen. Morgens geht man wie gewohnt zur Arbeit, doch die findet man nicht im Büro, sondern in einer Wohnung, die nachts von jemandem bewohnt wird, der tagsüber ebenfalls in einer fremden Wohnung arbeitet.
Irgendwann, wenn sich alle an dieses neue Situation gewöhnt haben, kann man das Modell dann verfeinern: Jeder bleibt einfach zu Hause und arbeitet dort. Das entlastet die Umwelt und führt zu weniger Streit auf der Straße und in Nahverkehrsmitteln. Vielleicht sollte man generell mal überlegen, ob es nicht besser wäre, die Menschen blieben mal eine Zeitlang einfach zu Hause, z.B. Amerikaner, Palästinenser, Nordiren, Kongolesen, Tschetschenen, Russen, Afghanen, Iraker, Basken – und umgekehrt (nur um einige zu nennen). Vielen Deutschen täte das auch gut, vor allem während der Urlaubszeit.

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© Julius Moll

Montag, 30. Januar 2006

Are you ready?


Ein Szenario in nicht allzu ferner Zukunft: Sie verspüren Hunger und werfen einen Blick in den Kühlschrank. Wegen der dort herrschenden deprimierenden Leere wechseln Sie schnell hinüber zum zentralen Haushaltscomputer und wählen die Internetadresse Ihres Lieblingssupermarktes. Sobald die Verbindung steht, ziehen Sie eine Chipkarte aus der Tasche und stecken sie in das angeschlossene Kartenlesegerät. Auf der Chipkarte sind jedoch nicht etwa die Daten Ihrer Bankverbindung oder die Kreditkartennummer gespeichert, sondern die Einzelheiten Ihrer DNA-Sequenz. Mit Hilfe dieser Information wählt die Software des Supermarkt-Servers diejenigen Nahrungsmittel aus, die biotechnisch genau auf Ihre molekularen Bedürfnisse zugeschnitten sind und dafür sorgen, dass Sie mit Aminosäuren, Fetten, Zuckern und Vitaminen so versorgt werden, dass Ihr Körper optimal davon profitiert.
Eine Zukunftsvision, wie gesagt. Und unter physiologischen Gesichtspunkten macht dieses Szenario sogar durchaus einen gewissen Sinn. Dennoch weckt die Vorstellung Misstrauen, dass man den eigenen genetischen Code auf diesem Weg in die Öffentlichkeit entlassen könnte (wie schwer tut man sich allein bei der Preisgabe der Kreditkartennummer!).
Was ist es, das dieses Misstrauen ausmacht? Was ist die Essenz dessen, was da als Erbinformation in der spezifizierten Reihenfolge von Bausteinen offenbar wird – einer Anzahl von Bausteinen, die in der Größenordnung von gut sechs Milliarden ziemlich genau der Menge von menschlichen Individuen entspricht, die heute auf der Erde leben?
In zahllosen Beiträgen zum Fortgang des Humangenom-Projekts ist immer wieder darauf hingewiesen worden, dass die DNA-Sequenz gleichsam das ultimative „Buch der Menschheit“ repräsentiere, dessen Kenntnis die Beantwortung der letzten Fragen des menschlichen Daseins ermögliche. Die Metapher vom „gläsernen Menschen“ ist nur eines der vielen Indizien für diese Sichtweise. Und so lautet nun die Frage, ob das Genom wirklich ein Synonym für das Menschsein ist.
Eine frühe Variante des Problems wurde in den 60er und 70er Jahren deutlich, als die Entwicklungspsychologen über den Einfluss der Gene auf die Kindesentwicklung diskutierten und an Hand von Studien an eineiigen Zwillingen darüber stritten, ob Intelligenz vererbbar oder anerziehbar sei. Gleich, welcher Hypothese man näher steht, hat sich doch – so weit sich das beurteilen lässt – die Auffassung etabliert, dass am Genom als feststehendem Ausgangspunkt nicht zu rütteln ist.
Hier kommt möglicherweise die Sehnsucht nach Selbstbeschreibung und -erkenntnis zum Ausdruck. Warum bin ich die Person, die ich morgens im Spiegel sehe? Könnte ich mit den gleichen Gedanken der Morgentoilette nachgehen, wenn ich andere Eltern gehabt hätte? Oder gibt mein Genom das Bewusstsein und Verhalten vor?
Dies ist wohl auch die Frage nach der Seele. Und es ist vermutlich kein Zufall, dass ein Pionier der Molekulargenetik, Max Delbrück, darauf hingewiesen hat, dass sich die Existenz eines „genetischen Programms“ – in Form der DNA-Sequenz – mit dem philosophischen Konzept eines organisierenden Etwas bemerkenswert deckt. Aristoteles nannte dies das „eidos“; eine Bezeichnung, die heutzutage vielen nur als Name einer Software-Firma bekannt ist, die die Gestalt der Cyber-Ikone Lara Croft geschaffen hat. Die Idee einer unsichtbaren, inhärenten Kraft, die die Materie in einen definierbaren Organismus verwandeln kann, hat sich nicht nur bei Thomas von Aquin fortgesetzt, sondern seine Spuren auch in den Diskussionen zum §218 hinterlassen, so weit es um die Frage ging, wann ein menschlicher Embryo eine eigene Persönlichkeit erlangt.
Das Vorhandensein eines kompletten Genoms alleine reicht aber offenbar nicht aus, um ein Individuum zu definieren. Einem Neugeborenen gesteht man ohne Zögern menschliche Grundrechte zu, einer Keimzelle wie dem Spermium oder dem Ei jedoch nicht. Was ist der Unterschied? Ist es der physikalische Status des Genoms? Keimzellen besitzen immerhin lediglich einen einfachen Chromosomensatz, und erst nach erfolgreicher Befruchtung vereinigen sich beide Sätze zum diploiden Satz, so dass der Embryo eine doppelte Genausstattung trägt – eine Hälfte von der Mutter und eine Hälfte vom Vater. Erlangt man deshalb mit dem Zeitpunkt der Befruchtung seine persönliche Identität?
Wenn man auf die oben genannten entwicklungspsychologischen Studien über eineiige Zwillinge zurückblickt, beantwortet sich diese Frage (fast) von selbst. Jeder der Zwillinge hat eine eigene Lebensgeschichte, und wie man weiß, lassen sich die Individuen trotz ihrer genetischen Identität phänotypisch unterscheiden, und das nicht nur von engen Verwandten. Offenbar führen identische Genome nicht zu identischen Personen – ein kleiner Trost für prospektive Menschenklone?
Gibt es also Konzepte, die die eherne Macht der genomischen Information zumindest leicht erschüttern könnten? Eine kürzlich erschienene Forschungsarbeit hat Indizien dafür erbracht, dass auch bei höheren Säugern wie uns der Eintrittspunkt des Spermiums in das Ei einen Orientierungspunkt für die Anlage der zukünftigen Teilungs- und damit Körperachsen darstellt. Dieser Eintrittspunkt ist nirgendwo im Genom der Mutter oder des Vaters spezifiziert – ein zufälliges Ereignis also, ermöglicht zwar durch die Grundaustattung der interagierenden Spermien- und Eimembranen, aber dennoch nicht vorhersagbar. Auch nach der Befruchtung, während der Embryonalentwicklung, setzt sich diese Art der Musterbildung fort. Experimente unter Schwerelosigkeit haben gezeigt, dass die Lage des Embryos in Bezug auf die herrschende Schwerkraft die Achsen der frühen Zellteilungen bestimmen kann. Und da die physikalischen Grundgesetze auch für biologische Prozesse gelten, darf man davon ausgehen, dass sich quantenmechanische Prinzipien auch auf makromolekularem Niveau fortsetzen. Vielleicht kann man die Art solcher Vorgänge an einem Beispiel klarmachen: Man stelle sich einen Hörsaal, ein Klassenzimmer, ein Großraumbüro oder ähnliches vor. Die Menschen in diesem Raum beginnen mit einem Ratespiel. Eine Person wird hinausgeschickt, und der Rest einigt sich auf einen Begriff, den die Person raten soll, sobald sie wieder hereingekommen ist. Dazu darf sie Fragen stellen, die die Anwesenden mit Ja oder Nein beantworten. Bei pfiffiger Fragetechnik lässt sich der Begriff dann erraten. Die „quantenmechanische“ Variante liefe genauso ab, nur dass sich die Anwesenden vorher nicht auf einen Begriff einigten. Die Lösung des Spiels hinge also nur von den Fragen und Antworten ab und wäre dennoch durch die individuellen Charaktere der Beteiligten vorherbestimmt.
Und daher wäre es vermutlich kein Fehler, wenn man sich die gesamte Entwicklung eines Individuums, basierend auf der Umsetzung der genetischen Information, in solcher Weise vorstellte. Dies würde zumindest verhindern, dass man die Individualität des Einzelnen auf sein Genom reduziert. Vor allen entkäme man der Notwendigkeit, in den Sequenzdaten des Humangenom-Projekts Spuren der eigenen Identität zu suchen. Man wird sie nicht finden! Leider vermitteln die Veröffentlichungen zu diesem Thema dem Laien den Eindruck, als gelte die ermittelte Sequenz für alle Menschen dieses Planeten. Dies ist – und das sei hier ausdrücklich bemerkt – absolut nicht der Fall. Der genetische Polymorphismus innerhalb der menschlichen Population ist so groß, dass man mit dem Gedanken an die Erfassung aller auftretenden Unterschiede erst gar nicht spielen muss. Vielleicht hilft in diesem Fall auch die evolutionsbiologische Erkenntnis, dass alle Genome, die auf der Erde vorkommen, ständiger Veränderung unterworfen sind. Im evolutionären Zeitraffer ändern sich die Zusammensetzungen und Basensequenzen in faszinierender Geschwindigkeit.
Es ist daher auch nicht sinnvoll, der Bedeutung des Genoms für die Integrität der Spezies Mensch übermäßige Bedeutung beizumessen. Ansonsten müsste einem nämlich die Tatsache zu denken geben, dass Menschen- und Schimpansengenom zu 98,7 Prozent übereinstimmen. Hier wird deutlich, dass auch der Artbegriff nur wenig mit einer strengen Abgrenzung der einzelnen Genome zu tun hat. Diese Abgrenzung wird durch die Fähigkeit einer Gruppe von individuellen Organismen bestimmt, sich untereinander fortzupflanzen. Und fast noch wichtiger ist, dass sich die entstehenden Nachkommen im sozialen Umfeld der Elternpopulationen zurechtfinden und dort akzeptiert werden. Es gehört mehr zur Artzugehörigkeit als der Besitz eines vergleichbaren Genoms.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche Folgen die Kenntnis einer Variante des menschlichen Genoms für die Gesellschaft haben wird. Werden die nackten Daten so in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Wahrnehmung gestellt, wie es den Anschein hat? Man braucht die Diskussionen zu denken, die Peter Sloterdijk mit seinen Überlegungen zum Genom-optimierten Menschenpark entfacht hat (und damit das „genozentrische“ Weltbild weiter etabliert hat). Werden Versicherungsgesellschaften nur noch Versicherungsnehmer akzeptieren, deren Sequenzen sich mit denen einer Mehrheit decken? Werden Individuen, deren Sequenzen an bestimmten Stellen von denen der Mehrheit abweichen, überhaupt noch geboren werden? Und wenn, wird man sich in Zukunft auf die Unzulänglichkeiten des eigenen Genoms auch im Alltag berufen? Wird man sich dann nicht mehr mit den Worten entschuldigen: „Ich hatte eine Grippe!“, sondern mit „Tut mir Leid; ich habe eine Punktmutation im Influenzavirus-Rezeptor-Gen“?
Die Erörterung solcher Fragen steht ganz oben auf der Tagesordnung. Zweifellos käme der Politik die wichtige Aufgabe zu, eine breite Diskussion zu initiieren, doch leider beschränken sich die wenigen Ansätze bisher lediglich auf ökonomische Aspekte. Doch auch die Wissenschaft ist in die Verantwortung genommen, und hier ergeben sich vermutlich Ansatzpunkte zu einer wirklich radikalen Veränderung. Eine solche kann dann eintreten, wenn sich die Sichtweisen der einzelnen Wissenschaftszweige zu einem einheitlichen biologisch-sozialen Weltbild zusammenfügen ließen. Die Philosophie hat in der Vergangenheit die Bearbeitung naturwissenschaftlicher Fragen weit gehend in die Hände der zuständigen naturwissenschaftlichen Fächer wie Physik, Chemie und Biologie abgegeben. Die Naturwissenschaftler – und im hier diskutierten Zusammenhang insbesondere die Biologen – haben die philosophischen und ethischen Implikationen ihrer Erkenntnisse hinter die experimentellen lösbaren Fragen zurückgedrängt. Es wäre sicherlich von Vorteil, wenn alle Anstrengungen unternommen würden, die verschiedenen Perspektiven und die damit verbundenen Antworten unter einem Dach zu vereinen.
Bis dahin sind vor allem die wissenschaftlichen Laien der menschlichen Population darauf angewiesen, sich ihr eigenes, komplexes Bild zu machen. Es ist zu hoffen, dass sie dies auch tun. Die Geschwindigkeit der wissenschaftlichen Neuentdeckungen wird sich weiter steigern, und die Anforderungen an die Qualität des gesellschaftlichen Diskurses werden entsprechend wachsen. Es ist wert, sich dieser Herausforderung zu stellen, denn die Frage – zitiert aus dem Werbetext eines bekannten Internetunternehmens – steht im Raum: „Are you ready?“

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© Julius Moll

Freitag, 20. Januar 2006

Bhutan


Bhutan?
Wieso eigentlich nicht?
Als der heilige Padmasambhava auf dem Rücken einer Tigerin gelandet war und das Land vom Fluch diverser Geister befreite und zum Buddhismus bekehrte, hat er vermutlich nicht im Traum daran gedacht, was 1200 Jahre später so alles auf der Welt los sein würde. Aber stolz auf König Jigme Singye Wandchuk wäre er schon: “Das Bruttosozialprodukt soll niemals schneller wachsen als das Bruttosozialglück”, hatte der König bei seiner Krönung geäußert. Man möchte weinen vor so viel Weisheit. Vielleicht können wir uns den Mann mal ein paar Jährchen ausleihen?

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© Julius Moll

Dienstag, 17. Januar 2006

Dienst ist Dienst


Ach herrje, jetzt auch noch ein Untersuchungsausschuss!
Man will die Frage klären, was zwei Beamte des Bundesnachrichtendienstes im Irak gemacht haben. Ja, was werden sie wohl gemacht haben? Vermutlich haben sie spioniert. Das machen Geheimagenten so. Dazu sind sie da. Dazu finanzieren wir mit Steuergeldern einen Nachrichtendienst, damit Leute spionieren.
Und wer es noch nicht wusste: Geheimdienste heißen Geheimdienste, weil sie geheime Dinge tun. Sonst wüssten andere, was sie täten, und das wäre nicht der Sinn der Sache. Wahrscheinlich hießen sie dann auch nicht Geheimdienste.
Nun mag es sein, dass das jemandem stinkt. Und damit kein Missverständnis aufkommt: Dagegen habe ich überhaupt nichts. Ich bin Demokrat. Wenn die Mehrheit meint, Deutschland braucht keinen Geheimdienst: Kein Problem. Aber so lange wir einen haben, bin ich dafür, dass die Dienste auch geheim bleiben, sonst werfe ich ja meine Steuern zu Fenster hinaus.
Ähnliches gilt übrigens auch für die Geheimdienste Verbündeter. Dazu zählen auch die USA, auch wenn man es mitunter nicht glauben möchte. Aber sich jetzt die Augen zu reiben und so zu tun, als sei man völlig überrascht, dass die CIA das Drehkreuz Frankfurt nutzt, um verdeckte Flüge mit Gefangenen nach Europa zu verteilen, ist scheinheilig. Um das zu erkennen, muss man nur die öffentliche Reaktionen auf die Demonstrationen gegen die Startbahn West nachlesen. Dazu muss man ein wenig in der Vergangenheit wühlen.
Ach, noch etwas: Wer nicht gleich weiß, was Startbahn West ist, sollte in den Archiven verschwinden und derweil schweigen.

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© Julius Moll

Montag, 16. Januar 2006

Teuer kann jeder!


Denken Sie doch mal kurz an Otmar Hitzfeld.
Den kennen Sie bestimmt, auch wenn Sie kein Fußballfan sind.
Na, haben Sie ihn vor Augen?
Asketische Züge? Tiefe Falten? Intelligente Augen?
Alles richtig, aber ich meine etwas anderes. Etwas tiefer. Nein, so tief auch nicht. Ich meine seinen Hemdkragen.
Jetzt erinnern Sie sich auch, nicht wahr? Da prangte doch dieser grauenhaft groß gestickte Schriftzug seines Herrenausstatters. Abscheulich! Und es passte so gar nicht zum restlichen Äußeren dieses gepflegten Herrn, der zu Deutschlands bestangezogenen Männern gezählt wird. Da hat er ja wahrscheinlich selbst gewusst, dass das überhaupt nicht gut aussah, das mit dieser Stickerei. Warum tat er sich das an?
Nun, Sie wissen es so gut wie ich: Er hat es nur wegen des Geldes getan! Wirklich ein schlauer Fuchs.
Jetzt werden Sie sich fragen: Warum ist das überhaupt wichtig? Sie werden es gleich erfahren, nur Geduld. Gehen Sie doch einfach mal auf die Straße oder in die Garage, je nachdem, und werfen Sie einen Blick auf Ihr Nummernschild. Na, gibt es da bei Ihrem Auto auch diesen kleinen schwarzen Rahmen, auf dem der Namen Ihres Autohändlers prangt?
Tatsächlich?
Und, kommt Ihnen da nicht ein fürchterlicher Gedanke? Sollte das gar Werbung sein, die Sie da tagtäglich spazierenfahren und Tausenden von Verkehrsteilnehmern vor Augen führen?
Ja, ist es. Und gestehen Sie: Sie tun es umsonst.
Und Sie tun es für fragwürdige Aufschriften wie etwa "Krumpelmuß & Hassgeier – Ihr Kfz-Partner in Immekeppel". Glauben Sie, das trüge zu Ihrer Reputation bei? Nun gebe ich zu, dass wirklich schmückende Werbepartner nicht so einfach zu finden sind. Otmar Hitzfeld hatte da in gewisser Weise Glück. Es gibt ganz sicher eine Schmerzgrenze, die man nur mit viel Geld überwinden kann. Denken Sie etwa an "Schlecker" oder "Condomi". Solche Schriftzüge würde ich nur auf dem Hemdkragen tragen, wenn sich die entsprechenden Firmen großer Teile ihres Werbeetats entledigten - und zwar auf mein Konto. Wir erinnern uns des Werbespruchs einer Billigmöbelkette “Unser Motto: Teuer kann jeder!” und beschließen, dass dies auch für uns gelten könnte.
Rufen Sie doch gleich mal bei Ihrem Autohändler an und geben Sie bekannt, dass Sie den Werberahmen Anfang kommender Woche abmontieren werden - außer man legt Wert auf weitere Zusammenarbeit und drückt dies auch in Zahlen aus. Da werden Sie mal sehen, wie viel Ihre Geschäftsverbindung tatsächlich wert ist.
Aber bleiben wir auf dem Teppich. Natürlich ist nicht jeder so prominent, dass er wie Franz Beckenbauer gleich 871 Milliarden Euro kriegt, wenn er eine halbe Stunde pro Woche Belangloses zur Fußball-Bundesliga von sich gibt. Neid ist allerdings Fehl am Platze, denn so lange der Franz das Geld dazu verwendet, um finanziell abgesicherte und der deutschen Sozialkasse nicht zur Last fallende Nachkommen in die Welt zu setzen, dann soll er dies in Gottes Namen tun.
Aber ein paar Euro sollten auch für uns anonyme Werbeträger drin sein. Zudem kann man dem Auto ja von außen gar nicht ansehen, ob da ein Prominenter drinsitzt oder Peter Schmitz aus Bergheim. Das ist ja das Perfide!
Es kommt einzig und allein auf das an, was auf dem Rahmen abgedruckt ist. Edles führt man gerne vor, Widerliches wird teuer. "Die Zeit" oder "FAZ - Das Feuilleton" als Aufdruck wäre für manche sicher ein Weg zu gesellschaftlichem Aufstieg, zumindest relativ zu denen, die hinter einem an der Ampel warten und das Schild lesen können. Bei "DGB", "FDP", "Müllverwertung Köln", "Die Bahn kommt" könnte man sich da nicht so sicher sein, und daher muss schon ein merklicher Betrag auf dem Tisch liegen, bevor man sich dazu hergibt. Das höchste Honorar jedoch, daran besteht kein Zweifel, wird fällig, wenn man in Köln einen Mercedes-Neuwagen kauft. Der Rahmen trägt die Aufschrift "Niederlassung Köln/Leverkusen".
Leverkusen! Brr! Fffiii! Nicht um alles Geld der Welt!

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© Julius Moll

Sonntag, 15. Januar 2006

TV – oder was?


Kurz nach Zehn. Dieses frühe Aufstehen macht mich krank. Seitdem der Kurs der Telekom-Aktie dermaßen verfallen ist, fühle ich mich ohnehin nicht mehr so wohl wie früher. Wenn man auf dem Papier vermögend ist, lebt es sich einfach gediegener, als wenn man so am Existenzminimum herumkratzt. Aber immerhin klebt auf dem Fernseher noch kein Kuckuck, und bevor ich den ganzen Tag verplempere, werde ich mal schauen, was so im Fernsehen kommt.
Habe ich denn schon etwas Wichtiges verpasst? Tatsächlich, da, im WDR um 6.00 Uhr: „Deutsch. Faszination Literatur“. Um 6 Uhr? Donnerwetter, das nenne ich wirklich faszinierend. Ich bin um 10 noch keines richtig klaren Gedankens fähig, und dann um 6 schon die Buddenbrooks? Vielleicht habe ich die anderen Zuschauer bisher unterschätzt. Der Lernhunger in Deutschland scheint ungebrochen, vermutlich der Anlass dafür, dass auch auf anderen Kanälen Lernenswertes geboten wird.
Wie etwa auf N-TV (obwohl da immer der Telekom-Kurs unten durchläuft): „Zukunft und Technik: Wie funktioniert eine Dampflokomotive?“. Ich schaue verblüfft auf das Datum am Zeitungsrand. Doch, doch, es ist die Ausgabe von heute. Offenbar hatte ich die Entwicklung im Eisenbahnbau total verpennt – das mit den Dampfloks war mir so nicht klar. Ein solch zukunftorientiertes Thema muss eigentlich auch die @-Generation interessieren. Alles Technikfreaks. Aber mir ist das momentan zu mechanistisch – ich sähe lieber was mit Natur und so.
Wie etwa im WDR um 14.50: „Kleine Geschichten von wilden Tieren: Der Graureiher“. Mich fröstelt. Der Graureiher ist mir seit meinen Kindertagen als Sinnbild des wilden Tieres ins Gehirn gebrannt. Wenn er seinen fürchterlichen Schnabel mit den bluttriefenden Reißzähnen öffnet und dabei erschütternde Laute ausstößt, bevor er den nächsten unschuldigen Frosch in Stücke hackt – Horror pur!
Apropos Horror: Etwas in der Art scheint es auch bei PRO7 zu geben; um 15.00 Uhr mit Andreas-Türck-oder-so-ähnlich als Gastgeber: „Todgeweiht! Ich bin doch noch so jung!“ Tja, das hätte der Frosch dem im Blutrausch delirierenden Graureiher auch noch gerne zugequakt. Aber hier geht es zweifellos um Menschen. Und obwohl ich mich ungern einmische, muss ich doch bemerken: Wir sind alle todgeweiht, sobald wir geboren werden. Insofern ist dieses Lamentieren im Grunde überflüssig und langweilig. Nichts, was mich über Gebühr interessiert, wenn ich es recht bedenke.
Außerdem ist es erst kurz vor Elf. Was gibt es denn um diese Zeit noch alles Aufregendes?
Punkt 11 kommt auf SAT.1: "Deine Chance um 11". Ich bin tief beeindruckt. Diese konsequente Umsetzung der Tageszeit in den Titel der Sendung ist von geradezu erhabener Schlichtheit. Mitunter bewundere ich diese Fernsehleute ja doch wegen ihrer Einfälle. Das Thema allerdings – na ja: „Du hast mir ein Kind angedreht – heute zeige ich dir, dass ich nicht der Vater bin.“ Hm, wie will er das machen? Mit Hose runter und so? Das interessiert mich aus verfahrenstechnischen Gründen. Vielleicht sollte ich mir das doch mal ansehen. Na, eher reinschauen für ein paar Minuten, nicht ganz ansehen.
Im Öffentlich-rechtlichen wird der konsequente Betitelungsversuch ebenfalls unternommen, scheitert jedoch recht kläglich. SWR bietet nämlich ebenfalls eine Sendung namens „Um Elf“, aber die beginnt nicht um 11, sondern um 23 Uhr (vermutlich weil der Vormittagstermin von SAT.1 besetzt ist) und sollte daher eigentlich „Um Dreiundzwanzig“ heißen, was aber wieder recht lang und unhandlich klänge. Dann lieber zwölf Stunden zu spät senden. Hier geht es auch nicht um Vaterschaftswiderlegungen, sondern um „Kräuter, Kirche, Klosterleben“. Ebenso packende Themen wie bei SAT.1 eben. Schade, dass man dafür keinen früheren Sendetermin finden konnte.
Zumal um 23 Uhr auch „Bio“ auf Sendung ist, diesmal über psychisch kranke Straftäter in Eickelborn. Ich wusste gar nicht, dass Eickelborn so ein Schmelztiegel irrer Mörder ist. Man lernt eben nie aus. Als Gäste sind da: „Dirk und Guido (Straftäter in psychiatrischer Behandlung)“. Halt mal! Dirk und Guido? Das wäre ja …! Was waren das noch Zeiten, als wir gemeinsam … aber das gehört nicht hierher.
Doch ich bin schon wieder abgeschweift, rein zeitlich. Am Nachmittag könnte man ja auch was gucken. Vielleicht im WDR um 15.15 Uhr: „Der Platz war Zeuge (Wdh.)“. Hä? Der Platz? Welcher Platz? Na, vielleicht ein Druckfehler, und es soll eigentlich Platzeck heißen, wie der damalig zuständige Minister, und es werden noch einmal die dramatischen Bilder des Oder-Hochwassers von vor einigen Jahren gezeigt. Bei den momentanen Temperaturen vielleicht eine gute Sache. Da zappe ich mal hin: all die erbarmungswürdigen Kreaturen mit ihrem überfluteten Hab und Gut.
Ein solcher Thrill lässt sich anschließend wohl kaum noch steigern. Aber halt, was sehe ich da? „Einmalig!“ Sehr viel versprechender Titel. Aber dahinter in Klammern: (Wdh. v. So.). Wie enttäuschend! Manchmal fühle ich mich so müde. Und dafür gibt es Gott sei Dank im Ersten um 3.50 Uhr: „Bahnstrecken Deutschlands“. Eine Wohltat sondergleichen. Und wenn der Zug stehen bleibt, wird einem so schön schwindlig, weil das Wohnzimmer am Fernseher vorbei weiter fährt.
Doch bevor ich mir diesen visuellen Joint gönnen werde, muss ich noch mal beim WDR reinschauen, und zwar um 2.15 Uhr: „Hier und Heute – Die Hunde-Runde“. Vermutlich in alter Tradition mit 6 Kötern aus 5 Zwingern. Gastgeber ist Werner Köter. Prost zusammen! Und gute Nacht.

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© Julius Moll

Missmut


Sagen wir es mal so: Ich bin unzufrieden.
Gestern Nachmittag, bei meiner Bank, regte so ein junger Schnösel an, dass ich Geld einzahlen solle, da mein Konto "Unterdeckung" aufwiese. Einzahlen? Ich? Ja, aber wieso denn? Habe ich die Bank gegründet oder was? Außerdem gibt es andere Kunden – und zwar eine ganze Reihe. Wieso sollte ausgerechnet ich da Geld einzahlen?
Ähnliches beim Finanzamt: So lange ich denken kann, habe ich nach meiner Steuererklärung Geld zurückbekommen. Dieses Jahr jedoch flattert mir so ein unverschämter Schrieb ins Haus, mit dem ein mir persönlich nicht bekannter Finanzbeamter eine Nachzahlung von mir fordert. Ja, ich glaube, es geht los! Habe ich denn das Finanzamt gegründet? Und wieso sollte ich … äh … Moment, bitte, meine Gefährtin redet soeben dazwischen. Wie … ich habe das Finanzamt mitgegründet? Ich? Wieso? Bürger? Gemeinwesen? Alle zusammen?
Irgendwie ist mir das Gespräch entglitten. Ich melde mich wieder.

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©Julius Moll

Freitag, 13. Januar 2006

Kylltal


Sie sind durch die PISA-Studie ebenso aufgeschreckt worden wie Politiker und Pädagogen? Sie finden Jugendliche heutzutage lasch und unengagiert? Sie finden, der Leistungsgedanke sei in den vergangenen ein oder zwei Jahrzehnten zu kurz gekommen, die Jugend daher verweichlicht und nicht mehr bereit, sich zu schinden?
Beruhigen Sie sich, bitte! Erfahrene Fachleute haben die Probleme ebenfalls erkannt und werden sie in Kürze gebannt haben. Zu den Problemlösern zählt wie immer und überall das Instrument der bundesweiten Standardisierung. So lässt sich ja einfach festlegen, was ein Schüler oder eine Schülerin wissen muss, wenn er oder sie die Mittlere Reife ablegt. Damit das nicht falsch verstanden wird: Das heißt nicht, dass bisher niemand wusste, wie die Kinder zu unterrichten waren, es heißt lediglich, dass es jetzt bundesweit … nun ja … geregelt ist.
Nehmen wir als Beispiel die Mathematik. Da gibt es - wir wissen oder ahnen es alle - recht kniffelige Aufgaben, die uns in der eigenen Jugend ziemlich gebeutelt haben. Da wir aber halt engagierter und leistungsbereiter waren, haben wir diese Klippen ohne großes Murren umschifft. Musteraufgaben für Zehntklässler sollten daher kein großes Problem darstellen.
Also bitte - hier eine solche Aufgabe im Wortlaut: "Die Kylltalbrücke bei Bitburg in der Eifel ist eine der größten frei gespannten Massivbogenbrücken. Die Spannweite des Bogens beträgt 223 Meter. Der Bogen hat annähernd Parabelform. Ein Wanderer will die Höhe der Brücke bestimmen. Im Abstand von 1,20 Meter (bestimmt durch Fußschrittmessung) zum Fußpunkt der Brücke ist der Brückenbogen 2 Meter hoch. a) Wie hoch ist die Brücke? b) Um wie viel Prozent ändert sich die Brückenhöhe, wenn der Wanderer bei der Fußschrittmessung 10 Zentimeter weniger gemessen hätte?"
Alles klar?
Und? Eine spontane Lösung parat?
Ich auch nicht.
Aber ich glaube zu wissen, warum es bei mir hapert. Die Gründe liegen auf der Hand. Es hat damit zu tun, dass das geschilderte Problem Fragen aufwirft, die sich nackter Mathematik verschließen.
Zum Beispiel weiß ich zunächst einmal nicht so recht, was eine Fußschrittmessung ist.
Und selbst, wenn ich es wüsste: Aus welchem Grunde sollte der Wanderer die Höhe der Brücke bestimmen wollen? Bei der angegebenen Spannweite ist sie auf jeden Fall hoch genug, um darunter hindurch zu wandern. Oder will er vielleicht über die Brücke gehen und vorher ausrechnen, wie hoch das Ganze ist, weil er ab einer gewissen Höhe - sagen wir mal 34,75 Meter - Schwindelanfälle und Höhenangst kriegt?
Wir wissen es nicht. Was wir jedoch wissen ist, dass uns die Kylltalbrücke bei Bitburg im Grunde genommen überhaupt nicht interessiert. Ich bitte Sie! Die Kyll! So ein Gernegroßrinnsal, das sich mit irgendeinem Bauwerk hervortun will, weil es sonst keiner beachtet. Das kennt man aus dem richtigen Leben: Am besten nicht beachten!
Da die Fragestellung an sich nun schon so "problembehaftet" ist, wie man in einschlägigen Fachkreisen vermutlich formulieren würde, wie steht es dann erst mit der Zusatzfrage b? Nehmen wir einmal an, es gäbe tatsächlich einen Wanderer (warum muss es eigentlich unbedingt ein Mann sein? Können Frauen keine Mathematik?), der sich erstens an die Kyll verirrt und zweitens diese Rechenoperation meistern kann. Warum in aller Welt (sic!) sollte er sich die Mühe machen, noch einmal mit anderem Schuhwerk zurückzukehren, um sich der Aufgabe erneut zu stellen?
Wenn man der Aufgabenstellung Glauben schenkt, kehrt er in Fußbekleidung anderer Schuhgröße an den mathematisch verfluchten Ort zurück. Vielleicht trägt er nun statt knapp sitzender Wanderstiefel zu groß geratene Manta-Stiefeletten mit langer Spitze. Die nun vorgenommene Fußschrittmessung wird dann natürlich zu unterschiedlichem Ergebnis führen, immer vorausgesetzt, dass tatsächlich zutrifft, was wir hinter dem Begriff "Fußschrittmessung" vermuten.
Und durch diesen Trick soll sich die Brückenhöhe ändern??? Wie soll das denn funktionieren? Meiner Meinung nach ist das eine Fangfrage!
Fassen wir also zusammen und formulieren als Resultat dieser Überlegungen unsere Antworten zur gestellten Rechenaufgabe: 1.) Die Brücke ist hoch genug. 2.) Die Höhe hat mit der Schuhgröße des Wanderers nichts zu tun. 3.) Frauenwanderungen müssen gefördert werden.
Die Antworten mögen den Verantwortlichen nicht gefallen, sind jedoch logisch zwingend und damit nicht zu widerlegen. Versuchen wir uns jedoch vorzustellen, was geschähe, wenn ein Mittelreifer diese Resultate in der Mathematikarbeit präsentierte: Scheitern in der Prüfung, Fall in ein Motivationsloch, Schulwechsel, Sitzenbleiben, keine Lehrstelle, Arbeitslosigkeit, Sozialfall, Obdachlosigkeit, womöglich als Penner endend.
Unter der Brücke.
Kylltal.

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©Julius Moll