Montag, 16. Januar 2006

Teuer kann jeder!


Denken Sie doch mal kurz an Otmar Hitzfeld.
Den kennen Sie bestimmt, auch wenn Sie kein Fußballfan sind.
Na, haben Sie ihn vor Augen?
Asketische Züge? Tiefe Falten? Intelligente Augen?
Alles richtig, aber ich meine etwas anderes. Etwas tiefer. Nein, so tief auch nicht. Ich meine seinen Hemdkragen.
Jetzt erinnern Sie sich auch, nicht wahr? Da prangte doch dieser grauenhaft groß gestickte Schriftzug seines Herrenausstatters. Abscheulich! Und es passte so gar nicht zum restlichen Äußeren dieses gepflegten Herrn, der zu Deutschlands bestangezogenen Männern gezählt wird. Da hat er ja wahrscheinlich selbst gewusst, dass das überhaupt nicht gut aussah, das mit dieser Stickerei. Warum tat er sich das an?
Nun, Sie wissen es so gut wie ich: Er hat es nur wegen des Geldes getan! Wirklich ein schlauer Fuchs.
Jetzt werden Sie sich fragen: Warum ist das überhaupt wichtig? Sie werden es gleich erfahren, nur Geduld. Gehen Sie doch einfach mal auf die Straße oder in die Garage, je nachdem, und werfen Sie einen Blick auf Ihr Nummernschild. Na, gibt es da bei Ihrem Auto auch diesen kleinen schwarzen Rahmen, auf dem der Namen Ihres Autohändlers prangt?
Tatsächlich?
Und, kommt Ihnen da nicht ein fürchterlicher Gedanke? Sollte das gar Werbung sein, die Sie da tagtäglich spazierenfahren und Tausenden von Verkehrsteilnehmern vor Augen führen?
Ja, ist es. Und gestehen Sie: Sie tun es umsonst.
Und Sie tun es für fragwürdige Aufschriften wie etwa "Krumpelmuß & Hassgeier – Ihr Kfz-Partner in Immekeppel". Glauben Sie, das trüge zu Ihrer Reputation bei? Nun gebe ich zu, dass wirklich schmückende Werbepartner nicht so einfach zu finden sind. Otmar Hitzfeld hatte da in gewisser Weise Glück. Es gibt ganz sicher eine Schmerzgrenze, die man nur mit viel Geld überwinden kann. Denken Sie etwa an "Schlecker" oder "Condomi". Solche Schriftzüge würde ich nur auf dem Hemdkragen tragen, wenn sich die entsprechenden Firmen großer Teile ihres Werbeetats entledigten - und zwar auf mein Konto. Wir erinnern uns des Werbespruchs einer Billigmöbelkette “Unser Motto: Teuer kann jeder!” und beschließen, dass dies auch für uns gelten könnte.
Rufen Sie doch gleich mal bei Ihrem Autohändler an und geben Sie bekannt, dass Sie den Werberahmen Anfang kommender Woche abmontieren werden - außer man legt Wert auf weitere Zusammenarbeit und drückt dies auch in Zahlen aus. Da werden Sie mal sehen, wie viel Ihre Geschäftsverbindung tatsächlich wert ist.
Aber bleiben wir auf dem Teppich. Natürlich ist nicht jeder so prominent, dass er wie Franz Beckenbauer gleich 871 Milliarden Euro kriegt, wenn er eine halbe Stunde pro Woche Belangloses zur Fußball-Bundesliga von sich gibt. Neid ist allerdings Fehl am Platze, denn so lange der Franz das Geld dazu verwendet, um finanziell abgesicherte und der deutschen Sozialkasse nicht zur Last fallende Nachkommen in die Welt zu setzen, dann soll er dies in Gottes Namen tun.
Aber ein paar Euro sollten auch für uns anonyme Werbeträger drin sein. Zudem kann man dem Auto ja von außen gar nicht ansehen, ob da ein Prominenter drinsitzt oder Peter Schmitz aus Bergheim. Das ist ja das Perfide!
Es kommt einzig und allein auf das an, was auf dem Rahmen abgedruckt ist. Edles führt man gerne vor, Widerliches wird teuer. "Die Zeit" oder "FAZ - Das Feuilleton" als Aufdruck wäre für manche sicher ein Weg zu gesellschaftlichem Aufstieg, zumindest relativ zu denen, die hinter einem an der Ampel warten und das Schild lesen können. Bei "DGB", "FDP", "Müllverwertung Köln", "Die Bahn kommt" könnte man sich da nicht so sicher sein, und daher muss schon ein merklicher Betrag auf dem Tisch liegen, bevor man sich dazu hergibt. Das höchste Honorar jedoch, daran besteht kein Zweifel, wird fällig, wenn man in Köln einen Mercedes-Neuwagen kauft. Der Rahmen trägt die Aufschrift "Niederlassung Köln/Leverkusen".
Leverkusen! Brr! Fffiii! Nicht um alles Geld der Welt!

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© Julius Moll

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