Samstag, 30. September 2006

Vorher oder nachher?



Wann haben Sie zum letzten Mal irgendwelche Sachen kaputt gemacht? Sachen anderer Leute, meine ich. Erinnern Sie sich an das prickelnde, zentrierte Gefühl, mit dem Sie lässig kommentieren konnten: "Das ist kein Problem. Ich bin versichert."? Herrlich, nicht wahr? In diesen Momenten festigt sich die Gewissheit, dass man die Versicherungsbeiträge aus gutem Grund bezahlt hat, obwohl zeitweilig die Zweifel genagt hatten. So viel Geld jeden Monat, und dann passiert dauernd nichts. Aber plötzlich ist er da: der Moment der Wahrheit. Und alle Zweifel sind wie weggeblasen.
Diese Erfahrung macht natürlich nur, wer die Beiträge vorher investiert. Zweifellos wäre das Leben viel einfacher, wenn man Versicherungsbeiträge nachträglich entrichten könnte, aber unter uns: Das klingt schon im Ansatz absurd.
Nun hat der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, seines Zeichens Haushaltsexperte der SPD, dem Berliner Tagesspiegel gegenüber eingeräumt, dass zwei Rüstungsfirmen seinen Hamburger Kreisverband SPD-Mitte im Bundestagswahlkampf 2005 mit Geldspenden unterstützt haben. Die Beträge hätten unter der Grenze zur Veröffentlichungspficht gelegen, sagte Kahrs.
Warum er sich dazu äußert? Nun ja, Johannes K. ist Berichterstatter der SPD-Fraktion im Haushaltsausschuss des Bundestages und hat somit Einfluss auf die Neuanschaffungen der Bundeswehr. Dass dazu Rüstungsartikel zählen, sollte uns nicht überraschen. Und dass man daher irritierende Zusammenhänge konstruieren könnte, die für Herrn K. nicht gerade vorteilhaft wirken, ist ihm selbst wohl auch aufgegangen. Deshalb hat er sich bemüht, solchen Anwürfen mit der Bemerkung vorauszueilen, er habe die Spenden erhalten, bevor er für den Verteidigungsetat zuständig war.
Mal abgesehen von der Tatsache, dass bei dieser Erklärung nicht mehr vom SPD-Kreisverband die Rede ist, sondern nur noch von "ihm": Kommt Ihnen das nicht merkwürdig vor? Ich schlage vor, Sie schließen mal kurz die Augen und stellen sich vor, Sie stünden gerade vor Ihrem Badezimmerspiegel und sähen sich ins Gesicht. Finden Sie wirklich, dass Sie so dämlich aussehen, wie Herr Kahrs Sie offenbar einschätzt?
Natürlich hat er die Spenden vorher erhalten; hinterher hätten die Rüstungsfirmen ja nichts mehr davon gehabt. Das ist das Versicherungsprinzip, von dem oben die Rede war. Damit wir uns richtig verstehen: Es spricht gar nichts dagegen, dass jemand die Interessen seiner Geldgeber vertritt, solange alle wissen, dass es diese Geldgeber gibt. Das ist also nicht der Grund, warum ich finde, Herr Kahrs sollte sein Mandat zurückgeben. Der Grund ist, dass er seine Wähler für dumm verkaufen will. Ich würde das nicht auf mir sitzen lassen – ich finde nämlich, dass ich morgens im Spiegel immer ausgesprochen intelligent aussehe.

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©Julius Moll

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